
Stilgeschichten & Herzenssachen #25 -
Farben sind für alle da - wie wir von klein auf in Rollenbilder gepresst werden
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Cornelia Aigenberger
Alter: 43
Beruf: Gründerin von „pauakids“, Kommunikationsexpertin
Wohnort: Wien
Kleiderschrank: zu klein, alles wird lange getragen
Das wertvollste Teil: alles erfüllt einen bestimmten Zweck
Stil: möglichst nachhaltig
Größter Fehlkauf: Bodysuit, der schlanker machen soll
Lieblingsfarben: Gelb, Orange, Rot
Das schönste Kompliment: Du bist cool
Vor drei Jahren gründete Cornelia Aigenberger das Kindermodelabel „pauakids“, inspiriert durch ihre eigenen Erfahrungen als Mutter. Ihre Vision: Chancengleichheit von Anfang an vermitteln, auch durch Kleidung. Was einfach klingt, greift tief in gesellschaftliche Muster ein. Denn schnell erkannte sie, dass im Bereich Kinderkleidung die Grenzen zwischen den Geschlechtern klar abgesteckt sind: Rosa und Hellblau dominieren, begleitet von blumigen, verträumten Mustern mit Prinzessinnen und Einhörnern für Mädchen und wilden, abenteuerlichen Motiven mit Tieren und Superhelden für Buben.
Für Aigenberger ging es aber nicht darum, dass solche Motive oder Farben „falsch“ seien, aber sie sollten nicht die einzige Option darstellen. Kinder sollten die Möglichkeit bekommen, sich vielfältig auszudrücken und verschiedene Facetten ihrer Persönlichkeit zu entdecken.
"Mädchenfarben" für Buben
Wie stark die Kleidung die Selbstwahrnehmung von Kindern prägen kann, wird oft unterschätzt. Durch die Auswahl der Kleidung werden auch Erwartungen und Rollenbilder transportiert, die langfristig die Entwicklung beeinflussen. „Die Weichen, wie Kinder sich selbst sehen, werden früh gestellt“, sagt Aigenberger. Die freie Entscheidung ist meist gar nicht möglich, das verhindern die negativen Kommentare, die Buben oft erfahren, wenn sie „Mädchenfarben“ wie Rosa tragen. Diese gesellschaftlichen Normen setzen sich in den Köpfen fest und erschweren es, Geschlechterrollen zu durchbrechen. Farben sollten jedoch für alle da sein – unabhängig vom Geschlecht.
„Viele Menschen haben als Erwachsene einen fast traumatischen Zugang zu Rosa, weil so viele Klischees damit verknüpft sind. Das muss nicht sein“, ergänzt Styleexpertin Martina Rieder-Thurn. Vielfalt und die freie Entscheidung seien wichtig, damit Kinder ihre Potenziale uneingeschränkt entfalten können.
Cornelia Aigenberger selbst ließ sich als Kind in keine Schablone pressen. In den 1980er und 1990er Jahren war die Mode auch noch offener und kaum durch Gender-Marketing geprägt. Erst in den 2000ern habe sich die Geschlechtertrennung in diesem Bereich verstärkt. Der erste Kongress für Gendermarketing fand 2006 in Berlin statt. Seitdem dreht sich die „Gender-Marketing-Spirale“ immer weiter.
Für Cornelia Aigenberger, die eine HTL besuchte, galt als Jugendliche der Dresscode leger-bequem, Kleider und Röcke mochte sie sowieso nicht. Ihr Stil entwickelte sich zu einer Mischung aus bequemen Hosen und T-Shirts, kombiniert mit „Dr. Martens“-Stiefeln. Eine Flower-Power-Phase mit roten Henna-Haaren und Schlaghosen waren ebenso Teil ihrer modischen Selbstfindung.
„Es ist extrem wichtig, sich auszuleben und seinen eigenen Stil zu finden, bevor man sich an Stilberatung orientiert,“ sagt Martina Rieder-Thurn.
Offen und einladend
Mittlerweile experimentiert Aigenberger mit verschiedenen Kleidungsstilen und entdeckt dabei mehr Freiheit. „Ich möchte offen und einladend wirken, weil ich Menschen dazu einlade, über bestimmte Dinge nachzudenken,“ erklärt sie. Auch Rosa sei möglich. In früheren beruflichen Kontexten, etwa während ihrer Zeit in einer Eventagentur, trug sie oft graue Hosenanzüge und weiße Blusen.
Offenheit habe viel mit Farben zu tun, erklärt Martina Rieder-Thurn. „Schwarz dagegen wirkt kreativ und elegant, aber nicht unbedingt offen.“
Ein weiterer wichtiger Aspekt in Aigenbergers Modeverständnis ist die Nachhaltigkeit. Sie will mit ihrem Label „pauakids“ Kleidung schaffen, die ressourcenschonend und fair produziert wird und wenig Abfall verursacht. Dabei setzt sie auf Unisex- und Oversize-Designs, die nicht nur geschlechterneutral sind, sondern auch leichter weitergegeben werden können. Praktische Elemente wie mitwachsende Hosen und tiefe Taschen – perfekt für kleine Schatzsucherinnen und -sucher – sind fester Bestandteil ihrer Kollektionen.
Cornelia Aigenbergers Vision ist es, dass sich Kinder zu weltoffenen Erwachsenen entwickeln können, die von Anfang an in ihrer Vielfalt unterstützt werden und keine gedanklichen Hürden überwinden müssen. Die Einteilung in Hellblau und Rosa von Geburt an hinterlässt Spuren, die später schwer zu korrigieren sind. Aigenberger weist darauf hin, dass Mädchen oft für ihr Aussehen gelobt werden, während Buben für ihre Leistung Anerkennung bekommen – ein Muster, das sich fortsetzt.
Durch Kleidung, die nicht durch Geschlechterstereotype eingeschränkt ist, möchte Aigenberger den Kindern die Möglichkeit geben, sich selbst und ihre Potenziale frei zu entfalten – unabhängig von gesellschaftlichen Erwartungen.
Stil-trifft-Herz-TIPPS (von Martina Rieder-Thurn) zum Thema genderbewusste Mode:
- Stellen Sie sich immer wieder die Frage, wie Sie wirken möchten. Das hilft, um richtig wahrgenommen zu werden.
- Grenzen Sie sich bei der Stilfindung bewusst von Stereotypen und Klischees ab.
- Entscheiden Sie ohne Wertung, wie Sie wirken möchten. Kleidung braucht keine Bewertung: Maskuline Kleidung bedeutet nicht automatisch stärker, besser, kompetenter. Feminine Outfits haben nichts mit Schwäche zu tun.
Tipp von Cornelia Aigenberger für Eltern:
- Bieten Sie Vielfalt an im Kleidungs- und Spielzeugbereich, damit die Kinder selbst Erfahrungen machen und freie Entscheidungen treffen können.